Der Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten ist ein wichtiges Ziel der Schweizer Aussenpolitik. Sie setzt sich dafür ein, dass die Menschenwürde auch während bewaffneten Konflikten geschützt wird und dass die Regeln des Völkerrechts auch in Kriegszeiten eingehalten werden. In Kürze einige Beispiele quer durch unsere Einsatzregionen und Schwerpunktbereiche.

1999 verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat eine Resolution, die zum ersten Mal den Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten einführte. 25 Jahre später steht dieses Thema, das als Bollwerk für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit errichtet wurde, zunehmend vor ernsthaften Bedrohungen und Herausforderungen. Angesichts der sich rasch verändernden internationalen Rahmenbedingungen, des schwierigen Zugangs für humanitäre Hilfe nach Gaza, der sexuellen Gewalt und wahllosen Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Sudan, der Angriffe auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine und der drei Millionen Vertriebenen infolge des Konflikts in Myanmar ist eine Aushöhlung der Grundsätze des humanitären Völkerrechts zu beobachten.

Es kommt häufig zu Verstössen und die an den Kämpfen beteiligten Parteien wenden die Regeln des Völkerrechts, des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte oft selektiv an - oder ignorieren sie gänzlich. Dies unterstrich der stellvertretende EDA-Staatssekretär Thomas Gürber heute im Sicherheitsrat in New York.

Die Schweiz trägt dazu bei, die Einhaltung des Völkerrechts in Kolumbien und in Myanmar zu stärken

Die Schweiz ist einer von vier Staaten, die den Friedensprozess zwischen der bewaffneten Gruppe Ejército de liberación nacional (ELN) und der kolumbianischen Regierung begleiten, und sie ist einer der Garantenstaaten für die Aufnahme von Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und dem Estado Mayor Central de las FARC-EP (EMC). Sie setzt sich dort für einen Waffenstillstand, die Einstellung von Angriffen und Drohungen gegen geschützte Personen und Güter ein. Im Rahmen der Umsetzung des Friedensabkommens von 2016 stellt die Schweiz zudem technische Expertise in Bezug auf die Beteiligung der Zivilgesellschaft, den Waffenstillstand und die Vergangenheitsbewältigung bereit. Zudem bewahrt sie auf Ersuchen der kolumbianischen Regierung und der FARC-EP ein Original des Schlussabkommens von 2016 sowie eine Sicherheitskopie der Archive der kolumbianischen Wahrheits- und Versöhnungskommission auf.

Nach einem langen Bürgerkrieg ist Myanmar nach wie vor eines der am stärksten von Landminen betroffenen Länder der Welt. Seit dem Militärputsch von 2021 hat die Verbreitung von Landminen ein alarmierendes Ausmass erreicht und stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Zivilbevölkerung dar. Die Zahl der zivilen Opfer von Unfällen, die durch Landminen verursacht wurden, ist von 2022 bis 2023 um 270% gestiegen. Die Schweiz unterstützt die Humanitäre Minenräumung (HMA) seit 2014 in Partnerschaft mit dem Dänischen Flüchtlingsrat (DRC).  Die Interventionen konzentrierten sich vor allem auf die Aufklärung über Minenrisiken und die Unterstützung von Opfern, den Aufbau von Kapazitäten bei wichtigen Akteuren und verantwortlichen Personen und die Unterstützung von Koordinationsstrukturen auf lokaler Ebene. In der neuen Phase wird ein verstärktes Engagement mit Waffenträgern erprobt, um sie für die Minenproblematik zu sensibilisieren, aber auch um Akzeptanz für die Erfassung und Markierung kontaminierter Gebiete zu gewinnen.

Am Dienstag zielte eine von Mosambik initiierte Debatte im Rat darauf ab, die historische Bedeutung der internationalen Regeln zu bekräftigen, die im Laufe des letzten Jahrhunderts, d. h. seit der Unterzeichnung der Genfer Konventionen vor 75 Jahren, geschaffen wurden. Ziel des Austauschs war es, den Schutz der Zivilbevölkerung weltweit zu stärken, indem betont wurde, dass es dringend notwendig ist, das Engagement der UNO-Mitgliedstaaten und anderer Interessengruppen für die Einhaltung und Förderung der Grundsätze des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte zu erhöhen.

«Die Genfer Konventionen sind der Eckstein des normativen Gebäudes, das wir Stein für Stein aus den Trümmern der Kriege errichtet haben, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Es ist daher schwer zu verstehen, warum wir heute unser eigenes Werk mit Worten und Taten dekonstruieren», betonte Thomas Gürber in der Ratsdebatte. Es bedarf stärkerer Mechanismen, um die Einhaltung der Regeln und die Rechenschaftspflicht sicherzustellen, umso mehr in einem Kontext, in dem sich die Art und die Methoden der Kriegsführung ständig verändern.

Die Schweiz stellt Schutz in der Ukraine bereit

Die Schweiz finanziert die Aktivitäten und den Kapazitätsaufbau von lokalen Schutzakteuren, die oft die einzigen sind, die in den Gebieten nahe der Frontlinie tätig werden können. Mit mobilen Schutzteams identifizieren und überwachen sie Risiken für den Schutz, bieten Informationen über humanitäre Dienstleistungen, Rechtsberatung und psychosoziale Unterstützung für gefährdete Personen, die noch in der Konfliktzone leben.

Parallel dazu initiierte und unterstützte die Schweiz die breit angelegte Absicherung von Freiwilligen und lokalem humanitären Personal durch Lebens- und Unfallversicherungen, indem sie den lokalen Einsatzkräften professionelle Dienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit anbot, Zugang zu Schutz- und medizinischer Ausrüstung ermöglichte und spezielle Schulungen in den Bereichen Medizin, Sicherheit und Gefahrenabwehr anbot.

«Nicht die normative Architektur ist schwach, sondern der politische Wille»

Die Schweiz appelliert an den gesunden Menschenverstand der Konfliktparteien. Sie fordert insbesondere einen schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe, was einen besseren Schutz der humanitären Helferinnen und Helfer voraussetzt. Sie fordert zudem, dass den Opfern von Verletzungen des humanitären Völkerrechts Gerechtigkeit widerfährt und dass die Prävention verbessert wird, indem der systematische Einsatz von Frühwarninstrumenten sichergestellt wird. «Lassen Sie uns das ändern. Nehmen wir unsere Verantwortung wahr», schloss Thomas Gürber.